Volle Erntekörbe und Blasen an den Händen

von Magazin "JOYCE"
Zwischen Gemüseanbau und Gartenarbeit hat Anne Gorges im Vorfeld des Erntedankfestes mehr über ihren Glauben gelernt, als sie es je für möglich gehalten hat.

Es sind die letzten Spätsommertage, die ich so liebe. Während ich noch ein paar Sonnenstrahlen für den Herbst einfange, drehe ich mit meinem Erntekorb eine Runde im Garten.  

Als erstes wandert eine kleine, angeknabberte Zucchini hinein. Von außen betrachtet sieht sie mickrig aus, doch sie ist mein ganzer Stolz. Sieben Pflanzen hatte ich Anfang Mai in den Garten gesetzt, jede von ihnen mühevoll aus einem kleinen Samenkorn vorgezogen. Ich habe sie tapfer gegen Schnecken und Dürre verteidigt und an manchen Abenden meine letzte Kraft zusammengekratzt, um zum Gießen in den Schrebergarten zu radeln. Bei den meisten habe ich den Kampf verloren, doch eine Pflanze hat es geschafft und jetzt feiere ich jede noch so kleine Frucht, die sie bringt. Als nächstes lege ich eine Handvoll Tomaten dazu. Gelbe, rote, fast schwarze Früchte, kunterbunt wie die Freunde, Bekannten und Gartennachbarn, von denen ich sie geschenkt bekommen habe. Dann wandern noch ein paar Kräuter in den Korb. Anfangs hatte ich von einer großen Kräuterspirale geträumt. Jetzt sind sie überall in den kleinen Lücken im Garten verteilt. Ich schneide Schnittlauch und Petersilie für Kräuterbutter, Salbei für Hustentee und Limonade. Schnell noch ein paar Radieschen gezupft - die so durchlöchert sind, dass ich noch nicht recht weiß, ob ich sie überhaupt essen werde. Aber sie erinnern mich an mein erstes Gartenjahr, als ich völlig entsetzt feststellen musste, dass aus einem Samen nur ein winziges Radieschen wächst und nicht ein ganzes Büschel, wie ich es im Supermarkt kaufe. Nach und nach füllt sich der Korb, am Ende ist er vollgepackt mit Gartenschätzen.

Einiges gelernt

Als wir vor knapp sechs Jahren Mitglieder im Schrebergartenverein wurden, übernahmen wir eine mit Efeu überwucherte, jahrelang vernachlässigte Parzelle mit viel Beton und ohne Beete. Seitdem habe ich einiges gelernt. Wie man Beete anlegt und Kartoffeln pflanzt, wie man Tomaten vorzieht und ausgeizt, Bäume schneidet, Beton ausbuddelt und Stauden vermehrt. Dass Minze wuchert wie Unkraut und Karotten gar kein Anfängergemüse sind, wie oft behauptet wird. Nie hätte ich gedacht, dass mich dieses kleine Stückchen Erde so verändern würde. Denn zwischen Gemüseanbau und Gartenarbeit habe ich auch mehr über meinen Glauben gelernt, als ich es je für möglich gehalten habe. 

Jesus sagt einmal sinngemäß: „Was macht ihr euch so viele Sorgen? Schaut euch die Vögel und die Wildblumen an! Sie säen nicht und ernten nicht und sammeln keine Vorräte. Gott versorgt sie. Seid ihr ihm nicht noch viel wichtiger? Vertraut doch auch ihr auf seine liebevolle Fürsorge.“ (nach Matthäus 6,25ff) 

Grund zum Staunen

Ich bin ein sehr sorgenvoller Mensch und statt mich zu ermutigen, hat mich dieser Bibelvers oft richtig wütend gemacht. Denn ich habe nicht die Wildblumen und Spatzen, sondern die angeknabberten Zucchinistümpfe, verfaulten Äpfel und Samen, die nicht aufgehen wollten, gesehen. Vögel, die im Winter kein Futter finden und Insektensterben. Wo war Gott da? Wollte er nicht selbst die Blumen und Vögel versorgen? Also musste ich doch selbst für mich sorgen!   

Je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger fand ich eine Antwort. Doch mit jedem Frühling, der kam, und all den hunderten von Samen, die ich Jahr für Jahr in die Erde säte, mit jedem Beet, das ich anlegte, mulchte, jede Pflanze, die ich goss, und alles Unkraut, das ich zupfte, fing ich an zu staunen: darüber, dass überhaupt etwas wächst! Denn wenn ich eines im Garten ziemlich schnell lernte, dann, dass man eine ganze Menge falsch machen kann. Erst goss ich zu viel, dann zu wenig, die Samen schimmelten in der Erde, dann kamen die Trauermücken. In einem Sommer fraßen die Schnecken die Hälfte meiner Pflanzen, kurz bevor die Braunfäule die Tomaten befiel. Der Kirschbaum wurde vom Sturm abgeholzt und ich will nicht darüber nachdenken, wie viele Euro im Blumenbeet vertrocknet sind. Manchmal war ich kurz vor dem Aufgeben. Doch dann merkte ich, dass man manchmal alles „richtig“ machen kann und die Samen trotzdem nicht aufgehen. Und manchmal, da macht man wirklich alles falsch, und trotzdem wird man mit gesunden Pflanzen und einer riesigen Ernte beschenkt.


Dieser Artikel ist im Magazin JOYCE Ausgabe 3/24 vom SCM Bundes-Verlag erschienen. Er ist der erste Artikel einer neuen Serie für die Initiative Schöpfung zum Thema „Glauben entlang des Gartenjahres“

Mehr Infos zum Magazin unter www.joyce-magazin.net  


Nicht zu erarbeiten

Dort im Garten, knieend zwischen meinen Beeten, durfte ich erkennen, dass ich meinen Garten (und mein Leben!) viel weniger in der Hand habe, als ich immer angenommen hatte. Jedes Leben, das entsteht, alles Gute und Schöne kann ich mir nicht erarbeiten oder verdienen. Es ist nicht das Ergebnis meines „Richtigmachens“, es ist unverfügbar und immer Geschenk. Tag für Tag bin ich mit so vielen Wundern und der liebevollen Fürsorge Gottes umgeben, dass ich sie für selbstverständlich genommen habe und nicht mehr wahrnehmen konnte. Ich stand vor einem riesigen Wildblumenmeer und habe nur die eine vertrocknete Pflanze gesehen. Und während ich lange dachte, Gottes Fürsorge würde meine Arbeit unnötig machen, zeigt mir mein Garten, wie mein Säen und Hacken, Unkraut zupfen und Pflanzen auf geheimnisvolle Weise Hand in Hand gehen mit dem, was Gott tut und wie er mich und Menschen um mich herum versorgt. Während mir Brombeersträucher die Hände verkratzen und das neue Beet mir Blasen an den Händen beschert hat, durfte ich entdecken, wie meine Arbeit und Gottes Versorgen kein Entweder-oder sondern ein Miteinander ist. Gottes Fürsorge macht meine Arbeit nicht unnötig, sie macht sie überhaupt erst möglich. Ich darf durch meine Arbeit Teil dessen sein, was Gott in dieser Welt tut – weil er es so wollte. Nicht nur die kleinen Tomatenpflanzen, die zum Vorziehen auf meiner Fensterbank stehen. Auch meine Arbeit am Schreibtisch, meine Kindererziehung, mein Glaube. Es hängt nicht alles an mir, ich muss nicht alles richtig machen, doch ich darf vertrauensvoll säen und gießen und sehen, wie er da­raus etwas entstehen lässt. 

Gartenschätze für Erntedank 

Schnell ziehe ich noch ein paar letzte Zwiebeln aus der Erde und lege sie in meinen Erntekorb. In ein paar Wochen feiern wir Erntedank. Bis dahin sammle ich die Gartenschätze auf einer alten Holzkiste in unserem Wohnzimmer. Mein kleiner Erntedanktisch, der mich daran erinnert, was ich so oft vergesse. Das Staunen über meine Arbeit und Gottes Versorgen. Nicht Entweder-oder sondern Miteinander. Stolz sein auf das, was ich geschafft habe. Und gleichzeitig wissen, dass Gott der ist, der mir all das geschenkt hat. Mit vollem Erntekorb schwinge ich mich aufs Fahrrad. Kurz bevor ich in den vollen Stadtverkehr einbiege, fahre ich an einem kleinen Feldweg entlang. Und da sehe ich endlich, was ich so lange übersehen hatte. Kleine Vögel picken in der Erde und die Wildblumen wippen leicht im Wind. Und einen Moment lang bilde ich mir ein, dass sie mir zuwinken. 


Anne Gorges ist Gemeindepädagogin. Zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern gärtnert sie seit einigen Jahren im örtlichen Schrebergartenverein in der Nähe von Stuttgart. Im August erscheint ihr Buch „Bin im Garten Jesus treffen. Geschichten vom Wachsen und Staunen“ (Neukirchener).  


Staunen 

 

Hoffen 

 

Handeln 

 

Die Wochen um Erntedank sind der perfekte Zeitpunkt, um ins Staunen zu kommen. Ein paar Tage lang bewusst die Augen offenzuhalten, um all die Wunder wahrzunehmen, an denen wir so oft vorbeilaufen. Der Kastanienbaum an deiner Bushaltestelle, die letzten Sommerblumen im Garten, aber auch das, was in deinem Leben und Glauben dieses Jahr wachsen und entstehen durfte.   Hoffen ist der Glaube an ein gutes Morgen und daran, dass positive Veränderungen möglich sind. Und wie sehr brauchen wir /
in diesen Tagen hoffnungsvolle Menschen! Die, die Schwierigkeiten nicht kleinreden, aber die sich davon auch nicht lähmen
lassen. Hoffnung ist der Motor meiner
Arbeit. Ich glaube daran, dass Gott mich benutzen kann, um etwas Gutes in dieser Welt zu tun, mag es noch so klein sein.
Gibt es etwas, das du in dieser Welt gerne verändern würdest? Wie kann dein Arbeiten ein winzig kleiner Teil darin sein?   
Es braucht keinen eigenen Garten, um mit dem Entdecken oder dem Staunen anzufangen! Wie wäre es, wenn du dir ein kleines Stück Natur aussuchst und es ein Jahr lang begleitest? Das kann ein Baum auf deinem Arbeitsweg oder ein Feldweg vor der Türe sein. Und dann fange an, „dein“ Stück Natur zu entdecken. Etwas darüber herauszu­finden, zu beobachten, wahrzunehmen wie es sich mit den Wochen verändert, kleine Schätze zu sammeln und Lebewesen zu entdecken.  

 

 

 

 

 


Auch passend zu diesem Thema:

Das lebenslust Special „Reich beschenkt“ zum Erntedankfest liefert gute Gründe, um dankbar zu sein. Denn wer das kleine Glück im Alltag entdeckt, lebt leichter, zufriedener und gesünder. 

Mehr Infos zum Magazin unter www.bundes-verlag.net/erntedank  


 

Magazin "JOYCE"
Dieser Artikel stammt aus dem Magazin "JOYCE"

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