Sind Air-Taxis und Seilbahnen die Mobilität der Zukunft? Wenn man in ihr Buch „Zukunftslust“ schaut, bekommt man diesen Eindruck …
Ja, sie sind ein Teil davon. Es geht mir darum, sich positiv mit den Gestaltungsmöglichkeiten, die wir haben, auseinanderzusetzen. Das Thema Seilbahn erlebt zurzeit an verschiedenen Orten der Welt ein Revival, weil es eine sehr günstige Art und Weise ist, sich fortzubewegen. Natürlich sollte man nicht alles mit Seilbahnen vollpflastern. Aber für eine Seilbahn braucht man relativ wenig Infrastrukturmaßnahmen. Ich nehme keinen Platz weg, weil unter der Seilbahn ja weitgehend so gelebt werden kann wie vorher. Ich kann eine recht große Kapazität damit transportieren, aber im Verhältnis zur Straßenbahn oder U-Bahn ist sie deutlich einfacher umsetzbar. Von daher ist das Thema Seilbahn ein sehr konkretes, das jetzt schon in die städtische Landschaft gehört. Das Air-Taxi ist ein Ausblick nach vorn, weil dabei die Themen Sicherheit und Technologieentwicklung eine große Rolle spielen.
Bei Mobilität denke ich zuerst an den privaten Personenverkehr. In Ihrem Buch habe ich aber gelernt, dass der Lastenverkehr einen deutlich größeren Teil der CO2-Emissionen verursacht. Welche Lösungen sehen Sie in diesem Bereich?
Beim Lastenverkehr emittieren relativ wenige Fahrzeuge sehr viel CO2, weil sie schwer sind und lange Strecken zurücklegen. Da macht eine Elektrifizierung viel Sinn. Mit einer Kombination aus synthetischen Kraftstoffen, Brennstoffzellen mit Wasserstoff und rein elektrischen Nutzfahrzeugen im städtischen Verkehr könnten wir große Sprünge machen. Um den Verkehr zu entlasten, könnten wir den Güterverkehr in den Städten auch in die Nacht verlagern. Das wird bisher deshalb nicht gemacht, weil ich nachts keinen Lärm haben möchte. Es gibt aber viele Möglichkeiten, um den Lärmpegel zu reduzieren. Eine dritte Idee sind so genannte Duck Trains: Das ist eine Kombination aus einem Führungsfahrzeug und einer Gefolgschaft von bis zu fünf elektrischen Leichtfahrzeugen. Damit kann ein Teil des Lastenverkehrs auf kleinere, flexiblere Einheiten aufgeteilt werden.
Ist die Schiene für Sie eine Alternative?
Ja klar. Alles, was auf die Schiene geht, sollte auf der Schiene sein, insbesondere bei Langstrecken. Aber der Ausbau des Schienennetzes erfordert viele Investitionen. Zudem muss ich mit den Menschen reden, denen das Stück Land gehört, über das die Schiene führen soll. Das ist ein langwieriger Prozess. Trotzdem macht es Sinn, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu bringen und nur da, wo ich die Flexibilität brauche, im LKW-Bereich zu bleiben.
Zurück zum privaten Personenverkehr, der Familien ja stärker betrifft. Warum setzt sich das E-Auto nicht durch? 2023 wurden in Deutschland mehr als doppelt so viele Verbrenner hergestellt als E-Autos.
Erst einmal haben wir in der Anschaffung höhere Preise für ein Elektrofahrzeug. Und die Förderung ist komplett auf null zurückgefahren worden, was aus meiner Sicht unklug ist und nicht zu der Gesamtstrategie passt. Ich bin schon ein Freund davon, dass Subventionen irgendwann abgebaut werden, aber nicht quasi von heute auf morgen auf null. Immerhin haben wir ein Wachstum der Elektromobilität von ungefähr 20 Prozent. Es ist nicht so, als sei Elektromobilität wieder out. Aber es ist ein längerer Prozess. Und ich bin überzeugt, dass auch synthetische Kraftstoffe oder die Brennstoffzelle mit Wasserstoff durchaus ihre Berechtigung haben. Wir brauchen alle Technologien.
Aber kann ich denn mit dem E-Auto guten Gewissens zur Arbeit fahren? Oder sollte ich doch lieber den öffentlichen Nahverkehr nutzen, auch wenn die Fahrtzeit deutlich länger ist?
Es ist wenig hilfreich, das Autofahren zu erschweren, ohne das Angebot an öffentlichem Nahverkehr hochzufahren. In vielen Städten passiert leider sogar das Gegenteil: Der ÖPNV wird ausgedünnt, besonders in weniger dicht besiedelten Bereichen. Ich habe selbst fünf Kinder. Wenn ich die alle mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV irgendwo hinfahren müsste, wären meine Frau und ich mit dem Transportieren der Kinder ausgebucht. Das ist nicht zumutbar. Natürlich wäre es besser, wenn Sie den ÖPNV benutzen oder mit dem Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen. Aber man muss diese Nachteile abbauen. Man kann nicht sagen: Die Nachteile des ÖPNV bleiben bestehen, und das Autofahren machen wir jetzt auch so nachteilig. Das ist ein schlechter Ansatz. Stattdessen sollte man zum Beispiel die Taktzeiten von öffentlichen Verkehrsmitteln erhöhen. Hier komme ich wieder zum Thema Seilbahn. Denn auf bestimmten Strecken kann ich die Taktzeit nicht mehr erhöhen, sonst würden zum Beispiel zu viele Busse hintereinanderfahren. Eigentlich gibt es gute Ansätze. Wir müssen aber bereit sein, Geld umzuschichten in solche Themen hinein, damit wir das Angebot verbessern. Ich glaube schon, dass dann etliche umsteigen würden. Ich habe hier in Aachen ein E-Bike-Verleihsystem aufgebaut, was recht attraktiv ist. Viele Pendler, die vorher mit dem Auto gefahren sind, sind darauf umgestiegen, weil es ein verlässliches Verkehrsmittel für sie ist und sie mit dem E-Bike schneller sind als mit dem Auto.
Macht es denn überhaupt einen Unterschied, wenn ich als Einzelne oder als Familie Fahrrad fahre statt Auto?
Ja, es kommt auf jeden Einzelnen an! Aber es ist wie so oft: Wenn ich der Einzelne bleibe, dann macht es de facto kaum einen Unterschied. Wir müssen es so machen, dass mein Nachbar auf mich guckt und sagt: „Wie der das macht, will ich es auch tun.“ Wir müssen eine Aufbruchstimmung erzeugen und andere anstecken. Deshalb geht es nicht über Zwang. Aber wenn wir eine Attraktivität hinbekommen, hat es ein Masseneffekt. Die Masse der Kaufentscheidungen – und das gilt ja auch für Lebensmittel und anderes – hat einen steuernden Effekt. Insofern haben wir als Bevölkerung es in der Hand, eine lenkende Wirkung bei der Bewahrung der Schöpfung zu entfalten. Ich habe auch eine Verantwortung. Von oben guckt mir einer zu, was ich tue, und ich habe mich zu verantworten. Da kann ich nicht sagen: „Die anderen machen es nicht, deshalb mache ich es auch nicht.“ Das finde ich nicht richtig. Wir müssen ein Vorbild entfalten mit einem Lächeln im Gesicht. Ich kämpfe dafür, dass es gute, vorteilhafte Lösungen gibt. Ich muss nicht in die Steinzeithöhle zurück, um ein gutes Gewissen zu haben. Wir können durch Technologie, die uns geschenkt wird, viele unserer Herausforderungen lösen, sodass das Leben trotzdem angenehm ist. Es ist anders, aber trotzdem ein gutes und schönes Leben, und es ist nicht eine reine Verzichtserklärung. Es gibt natürlich Bereiche, wo ich auch mal verzichten muss. Das müssen wir wieder lernen. Aber wir können weiterhin Spaß haben am Leben und an der Mobilität. Wir müssen nur die richtigen Lösungen einsetzen.
Sind Sie optimistisch, dass es uns gelingt, die Klima-Erwärmung aufzuhalten?
Ja, ich habe Hoffnung. Die Menschheit hat schon viel geschafft und war oft in schwierigen Situationen. Und gerade in schwierigen Situationen sind Menschen sehr leistungsfähig und können viel bewegen. Die Frage ist: Wann fängt die Masse an? Und da war es leider in der Menschheitsgeschichte oft so, dass viel Schlechtes passieren muss, damit wir aufwachen und umsteuern. Meine Hoffnung ist, dass wir es hinkriegen, bevor zu viel Schlechtes passiert ist. Da gucke ich aber immer auf mich und versuche, bei mir anzufangen. Ich tu das Maximum von dem, was in meiner Macht steht. Und ich bin hoffnungsvoll, dass wir damit zu guten Lösungen kommen.
Woher kommt Ihre Motivation, sich für diese Lösungen einzusetzen und neue Ideen zu entwickeln?
Das Coole daran ist, dass es mir Spaß macht. Wir haben so viele Möglichkeiten, das birgt natürlich auch die Verantwortung, das zu machen. Ich habe viel Gutes in die Wiege gelegt bekommen, wofür ich nichts konnte. Das ist für mich die eine Motivation. Die andere ist tatsächlich, dass ich an Gott glaube. Gott hat uns die Erde zur Verfügung gestellt. Und wenn er sagt, wir sollen herrschen, meint er ja, wir sollen wie Gott herrschen. Gott knechtet uns nicht und presst uns nicht aus, sondern er will uns zum Guten führen. Wenn er sagt: „Beherrscht die Erde!“, dann meint er das so, wie er uns beherrscht: Wir sollen die Erde mit Güte hegen und pflegen.
Das Interview führte Bettina Wendland, Redaktionsleiterin von Family und FamilyNEXT.
Prof. Dr. Achim Kampker ist Ingenieur und Miterfinder des in Aachen entwickelten Elektrofahrzeugs StreetScooter. Er leitet den Lehrstuhl Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen und hat den Verein „Ingenieure retten die Erde“ mitgegründet. Er ist verheiratet und Vater von fünf Kindern zwischen einem und 18 Jahren. In seinem Buch „Zukunftslust“ (bene!) entwirft er Konzepte, was wir gegen den Klimawandel tun können und wie die Stadt der Zukunft aussehen kann.
Dieses Interview ist im Magazin Family Ausgabe 1/25 vom SCM Bundes-Verlag erschienen. Er ein Artikel einer Serie für die Initiative Schöpfung.
Mehr Infos zum Magazin unter www.family.de